Leapfrogging

Anscheinend setzt sich jetzt auch in den Medien eine zunehmend kritische Betrachtung der Produktpolitik von Intel durch die Medien durch. Im “Link of the Week” von gestern habe ich ja in der Richtung schon einige Referenzen zusammengefasst.
Vielleicht an dieser Stelle meine eigene Meinung zu diesem Thema. Sun hat auch lange Zeit dieses Hohelied des “Not Invented here” gesungen. SPARC, SPARC und noch mal SPARC. Das ist halt das Problem eine von Ingenieuren und ehemaligen Ingenieuren getriebenen Firma. Es besteht immer eine gewisse Technikverliebtheit. Dazu kam ja auch das Wissen, das die eigene Prozessortechnologie eleganter war und ist als alle andere Prozessorplattformen (Alpha vielleicht mal ausgenommen, auf meinem absolut intelfreien Schreibtisch (okay, sagen wir mal intelinvented-freien Schreibtisch) steht bis heute eine Multia, die mich immer noch ins Stauen zu versetzen vermag). Das unbestimmte Wissen besser und richtiger zu sein als der Rest. Was lange Zeit übersehen worden war, ist die Designphilosophie der F-4 Phantom: “Auch ein Ziegelstein kann fliegen, wenn er genug Schub hat”. Und auch eine schlechte Prozessorarchitektur wird richtig schnell, wenn man die Resourcen, das Geld und das Fertigungknow hat, extreme Taktraten zu erreichen. Schliesslich haben wir mittlerweile Taktraten erreicht, die vor 10 Jahren noch im Forschungsteil von Zeitungen erwähnt worden sind. Mit dieser Philosophie hat Intel eine ganze Zeit sehr gut gelebt. Nur: Auch für diese Firmen gilt die Physik und diese Mauer stellt eine besonders harte und abweisende Grenze dar. Und auch Intel hat etwas übersehen: Was passiert, wenn jemand sich die x86-Architektur nimmt und ihr den grössten Unsinn austreibt, sich an einigen Stellen noch mal neu Gedanken macht und an anderen Stellen auf Kompatibiltät pfeifen kann (beispielsweise Sockel). Dem Ziegelstein also eine einigermassen aerodynamische Form gibt. Genau: Zwar keine schönere Architektur, aber ein veritabler Konkurrent. Und nichts anderes hat AMD gemacht.
Erfolg macht hier leider Faul: Sun hat sich lange Zeit auf der Erfolgswelle der E10K ausgeruht. Wir haben erst Jonathan und Andreas gebraucht (zusammen mit Scotts Willen, einige alte Zöpfe abzuschneiden), um frischen Wind in die Firma zu bringen und noch heute gibt es Leute die den guten alten E10K-Zeiten hinterherweinen, wo sich Sales auf Mangelwirtschaft reduziert hat, weil wir die Maschinen nicht schnell genug produzieren konnten, wie sie uns aus den Händen gerissen worden sind (Ich hatte selber drei Stück davon). Und Intel hat gleichermassen sich auf den Erfolg seiner XEON-Prozessoren verlassen. Der Siegeslauf hat ja auch sehr lange gedauert. 32-Bit Athlons haben defacto keine Rolle gespielt und lange Zeit schien es so, als wäre das Erstürmen der SMP-Bastion nur noch eine Frage der Zeit.
Betrachtet man aber die momentane Situation, stellt sich ein anderes Bild dar: Itanium ist eine Randexistenz, der 10-Ghz-Pentium-IV findet nicht statt und effiziente Designs auf Basis von Xeons mit mehr als 2 Prozessoren existieren weitestgehend nicht. AMD hat wahrscheinlich diese Situation kommen sehen, und konnte diese dann ausnutzen. Der Opteron erreicht im Servermarkt Marktanteile, mit denen niemand gerechnet hat.
Weiteres Unheil steht allerdings bevor. Der nächste Paradigmenwechsel ist unmittelbar zu erwarten. Getragen wird er von zwei eigentlich unabhängigen Entwicklungen. Reduzierung des Stromverbrauchs und Konsolidierung. Auf den ersten Blick haben diese Entwicklung eher auf Systemebene miteinander zu tun, als das sie Wirkung auf die Designphilosophie von Prozessoren haben. Weniger Systeme bedeutet weniger Stromverbrauch. Es gibt jetzt aber eine Eigenart des Powermanagements, wie es in der gesamten x86-Welt gelebt wird: Powermanagement ist Ausnutzung von Ineffizienz. Die meisten Mechanismen basieren darauf, leistungssteigernde Faktoren abzuschalten oder in ihrer Wirkung zu reduzieren. Caches werden abgeschaltet (erheblicher Faktor, brauchen moderne System doch mittlerweile den Hauptspeicher von Grossrechnern von vor 15 Jahren um einigermassen effizient zu funktionieren), Taktraten werden reduziert. Strom wird dadurch gespart, das jene Komponenten ausgeschaltet werden, die durch Nichtgebrauch oder durch Ineffizenz (es mach keinen Sinn einen Core mit Strom zu versorgen, wenn dieser gerade auf den Arbeitsspeicher wartet) nicht benötigt werden.
Fatal wird das im Zusammenhang mit Konsolidierung. Für einen Desktop mag das Modell ausreichend sein. Es wartet ohnehin die meiste Zeit darauf das die Wetware an der Tastatur endlich seinen Bedienerpflichten nachkommt. Ein Server sollte aber per Definition möglichst maximal ausgelastet sein, also ständig wertschöpfend tätig sein. Jetzt gehen wir mal davon aus, das Firmen es schaffen, ihre Systeme gut auszulasten, sagen wir mal zu 80%. Dann kann Powermanagement, wie es momentan gelebt wird, nicht aktiv werden. Der Prozessor benötigt seine Komponenten und wir sind bei den maximalen Stromverbräuchen und nicht bei den werbewirksam theoretisch minimal zu erreichenden Größenordnungen.
Nun stelle man sich vor, das ähnlich dem Opteron ein Mitspieler das Feld betritt, der einiges ein wenig richtiger macht (nicht viel, nur ein wenig) und unter voller Last weniger Strom verbraucht als die Konkurrenz mit ihrem Powermanagement. Nichts anderes macht momentan Sun ja mit Niagara und Rock und viele kleinere Hersteller, die ähnliche Ideen ausprobieren.
Vielleicht ist die grosse Schwäche, die wir in den letzten Jahren erleiden mussten, die Keimzelle der grössten Stärke. Die Erkenntnis, das man nicht endlos mit den Ziegelsteinbeschleunigern mithalten kann, mit dem Willen, neue Wege zu gehen, wird sich wahrscheinlich als Glücksfall erweisen.
PS: Ich bin mir der Ironie bewusst in Zusammenhang von Jonathan vom Abschneiden von alten Zöpfen zu reden.