Die dritte Wahl in der dritten Wahl
Nun haben wir Herrn Wulff als Bundespräsidenten. Ob Schloss Bellevue jetzt in Castle Wulffenstein umbenannt wird, bleibt abzuwarten (Den verstehen wahrscheinlich nur wieder Geeks). Einige Gedanken dazu:
- Das die Installation von Herrn Wulff drei Wahlgänge benötigt hat, ist ein gutes Zeichen für ein wenig Restvitalität im politischen System. Angela wurde damit eine sehr herbe Niederlage beigebracht. Wenn man ehrlich ist, hat doch jeder damit gerechnet, das Wulff im ersten Wahlgang gewählt wurde. Was ich Angela hier besonders übel nehme, ist die Unfähigkeit zu einem parteienübergreifenden, einem über den Parteien stehenden Kandidaten zu finden.
- Warum schreibe ich dritte Wahl? Angela hätte wohl lieber Herrn Köhler weiter im Amt gesehen (1. Wahl), ich vermute sie hätte sich auch dafür in den Hintern beissen können nicht auf die Idee mit Herrn Gauck gekommen zu sein (2. Wahl) . Schlussendlich blieb dann wohl nur noch Wulff übrig.
- Für mich war ein Zeichen für die unterschiedliche Persönlichkeit der beiden Kandidaten die Reaktion auf die Bekanntgabe der Ergebnisse. Herr Wulff hat mehr oder weniger während der bekanntgabe weitergequatscht, während Herr Gauck auch dem Sieger applaudiert hat.
- Welche Manieren und welcher Stil mittlerweile in Berlin vorherrscht, zeigt sich auch dadurch, das sich die CDU/CSU nicht zu Applaus für Herrn Gauck hat hinreissen lassen. Das festigt das Bild von einem schwer erkämpften des parteilichen Willens. Wahrscheinlich hat man nicht Herrn Wulff beklatscht, sondern nur dem Umstand das man "gewonnen" hat. Ob das aber auch der Willen des Volkes als obersten Souverän ist, scheint eher nachrangig gewesen zu sein.
- Was mich wundert ist die mangelnde politische Fähigkeit der Linken. Ja, es ist das gute Recht eines jeden Entsandten in die Bundesversammlung, frei nach seinem Gewissen zu handeln, aber ein wenig Intelligenz und Weitsicht dürfen doch auch nicht fehlen. Ja ... Gauck ist sicherlich für viele Personen innerhalb der Linken ein Dorn im Auge. Aber ob Wulff wirklich die Positionen der Linken besser vertritt? Es muss klar sein, das Wulff letztlich dank der Linken ins Amt gewählt worden ist. Wenn die Abgeordneten nun mal dieser Meinung sind, das das okay ist, dann ist das eben so. Wenn die Ablehnung von Herrn Gauck so stark ist, das sie lieber Herrn Wulff als Bundespräsident sehen ... nun ja ... dann ist das eben so. Gut heissen muss ich es deswegen nicht und für intelligent halten noch viel weniger.
Aber darum geht es nicht: Durch die Wahl von Herrn Gauck hätte sich die Linke besser und nachhaltiger von der DDR als Regime distanzieren können, als es jedes gesprochene Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung vermocht hätte. Eine Wahl von Herrn Gauck hätte mehr für die Koalitionsfähigkeit im Bund getan, als es jede Wahl in einem Bundesland. Wenn neben Angela heute jemand Schaden genommen hat, dann wohl die Linke. Sorry ... ich halte hinsichtlich der Normalisierung der Beziehung des restlichen politischen Systems zur Linken die Enthaltungen für selten dämlich.
Wenn wieder bei irgendeiner Wahl in den alten Bundesländer von der Unzahl von SED-Kadern in der Landesorganisation geredet worden wäre, hätte die Linke elegant antworten könnnen, das sie ja eben jenen zum Bundespräsidenten gewählt hat, der dieses Unrecht mit seiner Behörde eine lange Zeit untersucht hat.
Wir reden zwar häufig von der Aufkommenden Zeit der "Fünf-Parteien-Demokratie", aber bei einer Partei die sich so bloed anstellt, halte ich das für eine eher zeitweilige Erscheinung. Ich hoffe man erinnert sich bei den nächsten Wahlen daran, warum Herr Wulff jetzt Bundespräsident ist. - Herr Wulff sprach von freien Wahlen in seiner Rede. Ich frage mich wie das zu Westerwelles Ausspruch passt, es gäbe keine Abweichler in der FDP über die Bekannten hinaus. Auch hier merkt man wieder, was für ein Leichtgewicht Westerwelle eigentlich ist: Das kann man seinem Koaliationspartner sagen, aber nach aussen gibt das doch nur wieder das Bild der Partei als entscheidendem Organ. Oder warum wurden dem Vernehmen nach die Sitze der CDU primär mit Profipolitikern aufgefüllt?
Herr Wulff, ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihr Amt. Ich - und wahrscheinlich viele andere - erwarte aber von Ihnen viel mehr als blosses widerspruchsloses Ausfertigen von Gesetzen. An dem Mehr wird man sie am Ende Ihrer Amtszeit messen. Glücklicherweise kann ein Bundespräsident viel Gutes bewirken, aber aufgrund seiner Rolle im Staat wenig Schaden anrichten.