Gedanken

Abschied nehmen von einem Menschen, der einen ueber viele Jahre begleitet hat (mal mehr, mal weniger) ist immer ein sehr persoenlicher Weg. Ich bin kein gläubiger Mensch, glaube nicht mal an einen Gott, aber in solchen Momenten versteht man die Rolle der Kirche. Sie soll halt geben, sie soll den Menschen Trost geben. Den Menschen Hoffnung schenken. Das ist der Sinn der Kirche. Seelsorge. Es ist egal, welche Religion es ist, es ist egal, wie sich der Seelsorger nennt, ob Pfarrer, Rabbi oder Pastor. Menschen finden Zuflucht in ihrem Glauben, und das rechtfertig schon die Existenz von Religion. Heute war die Beerdigung meiner Grossmutter. Ich habe so das Gefühl, das das schlechte Wetter, der Sturm und der Regen, der auch nur auf der Strecke zwischen Kirche und Friedhof währte, ein letzter Gag meiner Oma war. Ich denke, dieses Ende war gut so. Es ging am Ende sehr schnell. Sie war kaum bettlaegerig. Nicht dieses lange Siechtum, das manche Menschen auf dem Weg vom Leben ins Jenseits noch das Leben zur Hölle macht. Und wenn ich mal recht ueberlege, eigentlich kann ich dankbar sein: Manche Menschen verlieren ihre Grosseltern, wenn diese 60 sind. Als ich geboren wurde, war meine Oma 60 Jahre alt. Ich kenne meine Grossmutter nicht anders als alt. Jetzt bin 34 und erst jetzt wurde dieser Gang faellig. Ich hoffe irgendwie, das mir meine Eltern diesen Gang mindestens ebensolange ersparen. Ich denke mit 68 bin ich dann soweit, das auch damit klar kommen wuerde. Und wenn ich nur die Haelfte der Langlebigkeit meiner Oma geerbt habe, habe ich dann noch weitere 34 Jahre vor mir. Man muss sich auch mal vor Augen halten, wie lang ihr Leben gedauert hat. 94 Jahre sind wirklich eine lange Zeit. Sie wurde geboren im Jahr, als der 1. Weltkrieg seinen Anfang nahm. Die Wirren der Weimarer Republik. Aufstieg und Fall der Nationalsozialisten mitsamt dem Schrecken den sie mit dem 2. Weltkrieg ueber die Menschheit brachten. Währenddessen hat sie auch noch meinen Vater das Leben geschenkt. Hiroshima, Anfang des Kalten Kriegs, Gründung der Bundesrepublik, Koreakrieg, 1. Weltmeisterschaft, Kennedy-Attentat, 68er, Mondlandung, Vietnam, 2. Weltmeisterschauft, Deutscher Herbst, Ende des Kalten Kriegs, Wiedervereinigung, 3. Weltmeisterschaft, 9/11 … alles in einem Menschenleben. Am Montag ist wirklich sehr viel gelebte Geschichte von uns gegangen. Jetzt liegt es an uns, sich zu erinnern.