Von der vierten Macht im Staate

Beständige Leser dieses Weblogs wissen, das ich recht häufig mit der Bahn fahre. Das ist nichts Neues, und soll nicht Gegenstand des heutigen Eintrages (das klingt wie “Liebes Weblog …”) werden. Wer sehr aufmerksam liest, weiß das ich mittlerweile bahn.comfort-Kunde bin und die entsprechende Lounge recht häufig nutze. Ebenfalls nichts Neues und daher werde ich heute darüber ebenfalls nichts schreiben. In dieser Lounge liegen eine Reihe von Zeitungen aus. Da ich mir nur noch wirkliche Qualitätszeitungen in Papierform hole (Die Zeit … oehm … und sonst nichts) und mir für den Rest mein Geld zu schade ist, ist der Besuch der Lounge mal einen Blick in die von mir - sagen wirs freundlich - nicht präferierten Teile der deutschen Presselandschaft.
Der Eindruck den ich dort gewinne ist, das sich die vierte Macht im Staate mittlerweile zunehmend von der beobachtenden Rolle in die formende Rolle wünscht und bewegt. Liebe Chefredakteure, ihr seit nicht gewählt worden. Ihr habt kein Recht dazu in diesem Land Politik zu machen. Ihr habt von der Politik zu berichten, den Politikern in den Hintern zu treten. Allen Politikern. Nicht nur denen, die dem anderen politischen Lager angehören).
Ich frage mich, wo hier der investigative Journalismus geblieben ist. Dabei gibt es eine Reihe von Fragen, die mich brennend interessieren:
Wo sind die politischen Konzepte der Opposition? Wo die zündenden Ideen? Und wenn es irgendwo dieses geheime Buch des phönixgleichen Aufstieges dieses Landes gibt: Warum wird nicht skandalisiert, das Frau Merkel und Herr Stoiber darauf sitzen und ihre unendliche Weisheit nur preisgeben wollen, wenn sie gewählt worden sind? Warum wird nicht skandalisiert, das dort zwei wertvolle Jahre verschenkt werden (oder genau genommen 160 Millionen Jahre - ja, es sind meine zwei Jahre, deine zwei Jahre und die Jahre von Millionen von Menschen) ? Weil zwei Menschen bundespolitisch noch grosses Vorhaben.
Es gibt auch eine Reihe von Dingen, die mich nicht oder nicht mehr interessieren: Mich interessiert nicht der dreissigste Durchlauf eines Pseudoskandals. Okay, hat Herr Fischer vielleicht nicht sofort reagiert. Aber ausser in der Politik ist Mikromanagement längst überall verpöhnt. Nur in der Poltik wird erwartet, das der Chef über alles, jeden und sowieso bescheid weiss. Paradox, nicht wahr? Ausgerechnet jene, die von der Wirtschaft mehr Patriotismus erwarten, vergessen die Grundlagen guten Managements, wenn es opportun ist. Und letztlich muss man sich vor Augen halten: Wladimir Kaminer hatte recht! Wir sind nicht flächendeckend ausgeraubt worden in der Zeit der offenen Visavergabe. Und obwohl ich nicht im besten Viertel von Hamburg wohne, ist mir nicht aufgefallen, das an jeder Strassenecke mindestens eine drogenverkaufende, ukrainische Prostituierte mit dem DVD-Player steht, den ich eigentlich in meinem Wohnzimmer vermutet habe, während im Hintergrund gerade ein ukrainischer “Arzt” eine Brieftaschenresektion durchführt. (offengestanden: die letzte Autoscheibe ist mir von einem Drogenabhängigen eingeschlagen worden, der mindestens so deutsch war, wie ich).
Liebe Frau Merkel, lieber Herr Stoiber, wenn ihr mir nur einmal zeigt, das ihr euch für dieses Land interessiert, das ihr besseres zu bieten habt als Klientelpolitik, euch dieses Land am Herzen liegt, renne ich mit wehenden Fahnen zur Wahlurne, wähle CDU und überrede jeden den ich kenne, es mir nachzutun. Aber so lange bleibe ich dann doch lieber bei einer Partei, die zumindestens halbwegs sich noch um den Menschen kümmert und nicht nur um sich selbst.